Einsiedel: Flüchtlinge werden ab Januar im Ort erwartet

Im einstigen Pionierlager am Stadtrand von Chemnitz werden überwiegend afghanische Ortskräfte und ihre Familien unterkommen. Doch damit sind nicht alle im Ort einverstanden, wurde bei einer Infoveranstaltung am Samstag deutlich.

Voraussichtlich ab Mitte Januar wird das ehemalige Pionierlager im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel wieder zur Erstaufnahmeeinrichtung und mit Flüchtlingen belegt. Aufgenommen werden afghanische Ortskräfte, die der Bundeswehr bei ihrem Einsatz in Afghanistan geholfen haben, mit ihren Familien sowie Menschenrechtler aus dem Land, ebenfalls mit Angehörigen. Das teilte die für die Unterbringung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen zuständige Landesdirektion Sachsen (LDS) am Samstagvormittag bei einer Einwohnerversammlung in Einsiedel mit.

Die mehr als zweistündige Veranstaltung in der Turnhalle der Grundschule fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zahlreiche Sicherheitskräfte waren vor Ort und kontrollierten die Ausweise der etwa 180 Besucher, um sicherzustellen, dass ausschließlich Einsiedlerinnen und Einsiedler an dem Treffen teilnehmen. Ton-, Bild- und Videoaufnahmen waren untersagt.

Den Betrieb der Einrichtung wird der Kreisverband Erzgebirge der Johanniter-Unfallhilfe übernehmen. Vor Mitte Januar werde ein Betrieb der Einrichtung nicht möglich sein, sagte Vorstand Ingo Reichel. Bis dahin müsse die Unterkunft für die Aufnahme der Geflüchteten vorbereitet werden. „Wir wollen sie würdig unterbringen“, sagte er. Zunächst sollen 100 Ortskräfte und ihre Familien von einem Heim in Dölzig (Nordsachsen) umziehen, weitere 150 werden nach und nach erwartet, sagte Regina Kraushaar, Präsidentin der LDS. Sie erklärte, das einstige Pionierlager sei sehr gut für die Aufnahme von Familien geeignet. Man greife jetzt wieder auf die Einrichtung zurück, weil es kaum noch freie Objekte gebe. Turnhallen, wie andere Bundesländer, werde Sachsen nicht mit Flüchtlingen belegen, betonte sie. Von Einsiedel aus werden die Familien dann nach und nach in Wohnungen umziehen.

Erwartet werden auch etwa 50 afghanische Menschenrechtler und ihre Familien. Die Ortskräfte, Menschenrechtler und ihre Angehörigen wurden vor ihrer Ankunft einer Sicherheitsüberprüfung durch das Auswärtige Amt unterzogen, erklärte Jens Löschner, Abteilungsleiter Asyl und Ausländerrecht bei der LDS. Maximal sollen 350 Flüchtlinge im ehemaligen Pionierlager untergebracht werden, der Mietvertrag läuft für ein Jahr.

Fragen und Aussagen von einigen Einsiedlern machten deutlich, dass zahlreiche Teilnehmer die Aufnahme der Schutzsuchenden kritisch sehen. Es sei eine Unverschämtheit, von der Bevölkerung Verständnis für die Aufnahme von Flüchtlingen zu erwarten, sagte ein älterer Mann. Er hielt Applaus und „Bravo“-Rufe. Eine Frau bezweifelte, dass die Einsiedler weiter sicher leben können. „Einsiedel ist einer der sichersten Ortsteile von Chemnitz“, erklärte Daniel Goldmann vom zuständigen Polizeirevier Chemnitz-Südwest. Von den Flüchtlingen, die vor einigen Jahren in Einsiedel untergebracht waren, sei keine erhöhte Kriminalität ausgegangen. Auch jetzt gebe es keine Hinweise auf eine erhöhte Kriminalitätslage, betonte er. Der Ortsteil werde jedoch mehr bestreift, so der Beamte.

Eine junge Frau erklärte, sie empfinde die Belegung des Heims mit Flüchtlingen als „positiv“. Es gehe hier um Mitmenschlichkeit. Daraufhin wurde die Frau ausgebuht und es wurde laut, es gab aber auch einen kleinen Applaus.

Das einstige Pionierlager mit seinen würfelartigen Gebäuden wurde 2015/16 für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt. Damals gab es dagegen Protest von Menschen aus Einsiedel und umliegenden Orten. An den wöchentlichen Demos beteiligten sich bis zu 2000 Teilnehmer; die Proteste wurden von rechten Gruppierungen und Parteien unterstützt. Dieses Frühjahr wohnten dort für vier Monate Ukrainerinnen und Ukrainer – ohne, dass es dagegen Proteste gab.